23. März 2015, Stuttgarter-Zeitung

CDU, Freie Wähler und SPD im Gemeinderat hat das Vorpreschen der Rathausspitze beim Thema Wagenhallen nicht gefallen. Die Kulturstätte soll zwar erhalten werden, doch das Thema müsse in der Haushaltsberatungen geklärt werden, lautet die Forderung.

Stuttgart – Das Vorpreschen der Rathausspitze in der Entscheidung um die auf mindestens 30 Millionen Euro geschätzte Sanierung der alten Wagenhallen im Nordbahnhof hat bei einzelnen Fraktionen und auch in der Verwaltung für Verärgerung gesorgt. In einer Pressemitteilung erweckte OB Fritz Kuhn den Eindruck, er habe mit den Kollegen Michael Föll (Finanzen) und Susanne Eisenmann (Kultur) im Alleingang einen endgültigen Sachbeschluss gefasst und danach die Fraktionen darüber in Kenntnis gesetzt.

„So geht es gar nicht“, ärgerte sich etwa CDU-Chef Alexander Kotz. Das werde er Kuhn in der nächsten Ältestenratssitzung zu verstehen geben. Die Kritik am Vorgehen sei unabhängig vom Sanierungswunsch zu sehen, den die CDU-Fraktion unterstütze. Daran habe sich seit der Entscheidung in den Etatberatungen 2014/2015 nichts geändert. Damals waren 5,5 Millionen Euro bereit gestellt worden. Damit kommt man aber nicht weiter.

Eine Schule als Lärmschutzriegel?

Der Plan, noch vor der Sommerpause eine Grundsatzentscheidung zu treffen, sei „unumgänglich, um eine kurzfristige Schließung zu vermeiden“. In der Zeit bis zu den Haushaltsberatungen, in denen die Finanzierung gesichert würde, könnte ein „belastbarer“ Verwaltungsvorschlag erarbeitet werden. Die Union unterstützt auch den Umzug der Hoppenlauschule vom Westen an den Nordbahnhof samt Neubau für 60 Millionen Euro als Lärmschutz für die im benachbarten Rosensteinviertel geplante Wohnbebauung. Auch eine unter dem Schulneubau liegende Tiefgarage für bis zu 250 Fahrzeuge wird von der der CDU unterstützt. Dieses Quartier soll gemeinsam mit den Bürgern entwickelt werden, ein Beteiligungsverfahren wird derzeit vorbereitet. Es sei deshalb „nicht die reine Lehre“, eine Vorgabe in Form eines mächtigen Gebäuderiegels zu machen. Weil aber am heutigen Standort der Schule Wohnungsbau möglich sei, könne man diese Kröte schlucken, sagt Kotz.

„Wir sind erstaunt, dass sich die Stadtspitze so positiv zu einem so großen Projekt äußert“, erklärte Jürgen Zeeb von den Freien Wählern. Die Altlastensanierung könnte die Kosten in die Höhe treiben. Außerdem könnten dann im Rosensteinviertel weniger Wohnungen gebaut werden, weil ein Gebäuderiegel (Hoppenlauschule) für den Lärmschutz nötig würde.

Der SPD-Fraktionschef Martin Körner sagt, seine Partei habe Sympathien für eine Generalsanierung. Ihn ärgere aber, dass die Rathausspitze den falschen Eindruck vermittle, die 30 Millionen seien finanziert. Die SPD kann sich nicht vorstellen, kurz vor der Einbringung des Haushaltsentwurfs einen verbindlichen Grundsatzbeschluss zu fassen, ohne dass dessen konkrete Auswirkungen auf andere wichtige Ausgaben erkannt und bewertet sind. Immer hin stünden allein im Kulturbereich Bau- und Sanierungsvorhaben in einer Größenordnung von mehr als 300 Millionen Euro an. Im sozialen Wohnungsbau müssten mehr Mittel aufgewendet werden, und auch der Öffentliche Nahverkehr brauche hohe Investitionszuschüsse. Körner will den Eindruck vermeiden, der Gemeinderat handele nach der Maxime je größer das Projekt, desto leichter die Finanzierung. So kommt etwa die Jugendverkehrsschule mit einem Aufwand von zwei Millionen Euro nicht in die Gänge.

Stadt will Sanierung komplett zahlen

Körner fordert deshalb den OB auf klarzustellen, dass erst bei der dritten Lesung Ende Dezember eine Entscheidung über die Sanierung der Wagenhallen falle. „Das kann die SPD so fordern“, erklärt Bürgermeister Föll. „Sie muss sich dann aber auch über die Konsequenzen im Klaren sein“. Die Betriebserlaubnis könne nur dann bis zum angepeilten Sanierungsbeginn im Herbst 2016 verlängert werden, falls den Brandschutzgutachtern der gute Wille in Form eines Grundsatzbeschlusses demonstriert werde. Für Körner kein Problem: Die Zusage weiter zu planen mit dem Ziel am Jahresende den Beschluss zu fassen, sichere den Interimsbetrieb.

Noch kennt niemand die Gesamtkosten

Die „Grobkosten“ für die Sanierung der Wagenhallen belaufen sich auf 21 Millionen Euro und basieren auf einer Machbarkeitsstudie. Nicht enthalten sind der Schallschutz, Ausstattung und Innenausbau, die Sanierung des Gebäudes an der Stirnseite, Folgen durch verdeckte Schäden und die Interimsquartiere für die Künstler. Insgesamt geht Föll von 30 Millionen Euro aus. Erfahrungsgemäß sind 30 Prozent Abweichung normal.

Der Kämmerer sagt, der Betrag sei zu stemmen. Die Stadt steht traditionell besser da, als in der Vergangenheit prognostiziert. Die „dunklen Wolken am Horizont“ haben sich offenbar aufgelöst. Der Ergebnishaushalt sei aktuell zwar nicht im Plus, es zeichneten sich aber Verbesserungen gegenüber der Prognose ab. Erfahrungsgemäß werden eh nicht alle geplanten Ausgaben getätigt. Und nicht zu vergessen: Der Kompromiss mit Ravensburg im Streit um die Gewerbesteuer der Württembergischen Gemeindeversicherung spült einmalig 30 Millionen Euro in die Kasse. Wie 2014 werden auch 2015 wohl keine neuen Kredite aufgenommen.

Was bleibt nach dem Umbau vom Charme des Gebäudes?

Ein Kostenfaktor ist die Lärmdämmung am Gebäude, wobei sich Planer und Stadträte die bisher ungeklärte Frage stellen: Ist die „Bewahrung des industriell, ruppigen Hallencharakters trotz notwendiger Schalldämmungsmaßnahmen“ überhaupt möglich? Aber auch der Lärm, der von den Besuchern des Veranstaltungsbetriebs ausgeht, wenn sie zu später Stunde mit den Autos wegfahren, muss aufwendig bekämpft werden. Es würden nicht nur jene Bürger beschallt, die im Zuge der Bebauung des Rosensteinviertels in die Nachbarschaft ziehen. Pegelüberschreitungen gäbe es bis zur Nordbahnhofstraße.

Dem Kfz-Verkehr (die Halle fasst bis zu 3400 Besucher) würde mit einem Gebäuderiegel begegnet. Dazu die Hoppenlauschule dort anzusiedeln, findet Körner, anders als sein Kollege Kotz, nicht gut. Das wäre die dritte Schule auf einem Fleck, so Körner. Eine Tiefgarage darunter, die auf kurzem Wege angefahren werden kann, soll die Parkplatzsuche obsolet machen. In der Präsentation wird aber auf benachbarte Tiefgaragen verwiesen, sodass die geforderten 170 Stellplätze rechnerisch im Bestand nachgewiesen werden. „Wenn das im Betrieb nicht funktioniert, hilft das nicht weiter“, sagt Bürgermeister Föll. „Wir wollen doch keinen Milaneo-Effekt mit Parksuchverkehr im Wohngebiet.“