10. Dezember 2018 , Stuttgarter Zeitung
S-Nord – Für die Container City an den Stuttgarter Wagenhallen könnte dieses Jahr das letzte sein. Der Platz, auf dem der Kunstverein Wagenhalle seine utopische Stadt errichtet hat, auf dem sich Ateliers in Containern aneinander reihen, Kunst, Musik, Theater, Film gemacht wird, Kreative mit sehr unterschiedlichen Profilen zusammenarbeiten, leben und kommunizieren, soll neu belegt werden: Die Stadt Stuttgart erwägt, am Nordbahnhof bei den Wagenhallen eine Interimsoper zu errichten. Noch einmal vor dem Winter wollen die Künstler sich also präsentieren, ihre Stadt dem Publikum öffnen, mit einem Programm, das zur Mittagszeit beginnt und gegen Mitternacht endet.
Es ist kalt und nass am Samstag – und doch ist das Interesse sehr groß, finden viele Menschen den Weg in die Container City. Gut 90 Besucher folgen Michael Casertano auf die Sanierungsbaustelle der Wagenhalle. Casertano arbeitet für Atelier Brückner, das Architekturbüro, das die Sanierung übernommen hat. Vor zwei Jahren mussten die Künstler die Halle zur Sanierung räumen. Sie errichteten die Container City. „Die Stadt hat Wasser und Strom gelegt“, sagt Sylvia Winkler, die zum Vorstand des Kunstvereins gehört, „aber die Gräben haben wir selber ausgehoben, die Fundamente betoniert, die Container bezahlt.“ Was am Nordbahnhof seither eindrucksvoll gewachsen ist, soll weiter wachsen. „Die Container City soll sich transformieren, wir möchten sie irgendwann an jüngere Künstler übergeben.“
„Wir haben unser Herzblut in die Container City gesteckt.“
Das Container Open, der Tag der offenen Tür in der Künstlerstadt, führt vor, was auf dem Spiel steht. Das „Commons Kitchen“ beispielsweise, die Gemeinschaftsküche, in der man sich trifft, um gemeinsam Gemüse zu schneiden und zu kochen, mit Nahrungsmitteln, die „gerettet“ wurden, anderswo unverdorben weggeworfen wurden. Die Pfannen dampfen, duften, die Gemüsemesser schnippeln. Demian Eipper und Matthias Murjahn erklären ihr Konzept, erklären, was die Container City für sie bedeutet: „Für uns ist das der Ort, an dem sich alles gebildet hat“, sagen sie. „Hier ist etwas ganz Besonderes entstanden, wir haben unser Herzblut in die Container City gesteckt.“
Zwischen rund 100 Containern wandern die Besucher umher. Sylvia Winkler selbst führt eine große Gruppe über das Gelände. „Wir hatten nicht mit einem solchen Ansturm gerechnet“, sagt sie. Architekten, Künstler oder einfach Bürger, neugierig auf das alternative Stadtkonzept, sind gekommen. Die Initiative Aufbruch Stuttgart begeht die Stadt bei einer Sonderführung. Tags zuvor noch arbeiteten die Künstler, bereiteten ihre Stadt auf diesen Auftritt vor – nun sind die Türen geöffnet, treten die Besucher ein in die Ateliers, wird auf einer Bühne musiziert.
In der Nacht tanzen die Puppen
Die Künstlerin Gabriela Oberkofler präsentiert den Katalog zu ihrer Rosensteinalm, zeigt Werke und lädt ein zur selbstgebackenen Pizza. Im Pylonia Turm, einem der architektonischen Kunstwerke vor der Wagenhalle, beginnt die Rivkah Tenuiflora ihre Performance mit der Theatergruppe O-Team, man sitzt dicht gedrängt und lauscht. Im TAUT, der Galerie des Kunstvereins Wagenhalle, stellen mehrere Künstler aus. Und spät dann, als die Nacht anbricht, tanzen die überlebensgroßen Gliederpuppen von Tobias Husemann und Stefan Charisius hell erleuchtet zwischen den Waggons: Auch sie stehen für die Kultur dieses Künstlerdorfs.