14. Januar 2019 , KONTEXT:Wochenzeitung
Vor einem Jahr waren sich noch alle einig: Der ideale Standort für ein Interim der Stuttgarter Oper wäre das alte Paketpostamt der Bahn. Nun soll es der Platz vor der Wagenhalle sein – aus Kostengründen. Dabei ändert ein Standortwechsel kaum etwas am Preis.
Eines muss man dem Württembergischen Staatstheater lassen: Es ist in der Lage, flexibel auf geänderte Ausgangsbedingungen zu reagieren. Bis zum Herbst 2017 war ein Opern-Interim im Bahnpostamt am Rosensteinpark den Opernbesuchern angeblich nicht zuzumuten. Dann kam der neue Intendant Viktor Schoner und suchte sich für Bela Bartóks „Blaubart“ just das Paketpostamt aus. Schoners Wunsch-Regisseur und ‑Bühnenbildner, der Künstler Hans Op de Beeck, hatte sich eine Inszenierung im Opernhaus nicht vorstellen können. Auf einmal war das Bahnpostamt geradezu ein Idealfall: von der Stadtbahnhaltestelle bei näherer Betrachtung gar nicht so weit entfernt, mehr Raum im Foyer als im ollen Littmann-Bau, der im Vergleich schon arg eng erscheinen musste. Stadt und Oper freuten sich gemeinsam über die tollen Aussichten.
Dann, oh Wunder, im schönen Mai, stellte sich heraus, dass das Interim ganz schön viel Geld kosten würde: 116 Millionen Euro! Und mit der Idee, später mal ein Konzerthaus daraus zu machen, war auch nichts. Erstens gilt der Standort bis heute als Faustpfand für die schönen Versprechungen von „Stuttgart 21“. Hier, wo so viel Park ist wie nirgendwo sonst, soll eine Parkerweiterung hin. Zweitens stellte sich, noch so ein Wunder, heraus, dass ein auf Oper optimiertes Interim nicht der ideale künftige Konzertsaal wäre. Die prognostizierten hohen Kosten ohne Perspektive der Nachnutzung ließen Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Reißleine ziehen. Fünf Monate hat Kuhns schnelle Eingreiftruppe gebraucht, um 17 alte und neue Standorte zu finden, von denen nun angeblich wieder nur einer in Frage kommt. Doch, wieder eine Überraschung – auch ein Interim vor der Wagenhalle wäre nicht unter 89 Millionen zu haben. Dies auch nur unter der Voraussetzung, dass ein fester Gebäuderiegel vor der Wagenhalle – über den eigentlich erst der Städtebau-Wettbewerb zu entscheiden hätte – nicht auf der Rechnung steht. Und verbunden mit der Hoffnung, dass sich Teile des Provisoriums teuer weiter verkaufen lassen. Doch kein Mensch weiß, ob die überhaupt jemand haben will. Eine Mogelpackung.
Ein anderer Standort macht die Zwischenlösung nicht billiger. Und dafür die Containercity des Kunstvereins Wagenhalle plattzumachen, die gerade erst als eines von zwei Projekten im Lande mit dem Deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet wurde – dies widerspricht den eigenen Beschlüssen der Stadt zum Umgang mit der Kultur und wäre ein schlechtes Signal für die Internationale Bauausstellung (IBA) 2027, die solche besonderen Projekte braucht. Wie gut sich das Bahnpostamt für Opernaufführungen eignet, hat der „Blaubart“ gezeigt. Und auch, dass dies sogar schon sofort möglich wäre, ohne dreistellige Millionenbeträge zu investieren. Die Premiere war voll, obwohl gleichzeitig im Opernhaus Mozarts „Requiem“ mit südafrikanischen Gästen gegeben wurde. Es geht auch ohne Turm und Orchestergraben. Nur ein bisschen Flexibilität ist gefragt.