2. Februar 2016 , Deutsches Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst e. V. // Fidena
Die Performerin Antje Töpfer ist radikal in ihrer Erkundung von Materialien.
Antje Töpfer hat sich in der Szene als eine radikale Figurenspielerin und Performerin in ihrer Erkundung von Materialien etabliert. Wie hartnäckig sie dabei sein kann, zeigt sie bei der Premiere ihrer jüngsten Produktion „Drei Akte“ im Fitz! Stuttgart. Hier greift sie auf voran gegangene Inszenierungen zurück: (un)fold, choreografiert von Katja M. Wolf, (dis)cover begleitet von Florian Feisel und (re)bone in der Regie von Anna Peschke. Die Forschung der in diesen Aufführungen ausprobierten Materialen sei noch nicht abgeschlossen, erklärt sie bei ihrer persönlichen Einführung und Vorstellung der Mitwirkenden. Dazu fegt sie den Bühnenboden und kehrt Styropor oder Glitzer auf ein Blech. Die Bühne ist weitgehend leer. Auf der linken Seite hat sich Musiker Christoph M. Hamann mit seinen Instrumenten eingerichtet, auf der rechten liegt in einer schmalen Schneise das Material. Nach Ende der Einführung ist fertig gekehrt und das stumme Spiel mit dem Material beginnt.
Unter der Regie von Stefanie Oberhoff entstehen starke Bilder, die die Versprechen des langen Untertitels erfüllen: „Das stumme Lied vom Eigensinn. Ein Abend über die Dickköpfigkeit von Ideen, eigenwilliges Material und über dringend notwendige Verwandlungen“. Was als erstes fasziniert, wenn man Antje Töpfer zusieht, ist die Ernsthaftigkeit der Spielerin einerseits, andererseits ihre Leichtigkeit. Man schaut einem Formungsprozess zu: Sie betrachtet das Material, scheint kurz zu überlegen, wie sie dieses formend verwandeln könnte, versucht es mit ihrem Körper zu verbinden, blickt endlich staunend auf das „Produkt“, das sie dann ins Spiel bringt. Weil man der Herstellung der Verwandlung zuschaut, scheint dem Material sein Geheimnis ausgetrieben zu werden.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Obschon die Bilder eigentlich im Probehandeln entstehen, führt Antje Töpfer in der Aktion immer auch vor, dass noch weitere, andere Möglichkeiten im Material liegen, dass dessen Erkundung noch nicht abgeschlossen ist. Wenn sie am Anfang des Abends betont: „Das ist nicht Nichts“, so verweist sie auf die im Material schlummernden Möglichkeiten. Wenn sie dabei ihren Körper in ein großes Tuch einwickelt und einen Tierschädel vor sich herführt, entstehen Assoziationen, die an das Märchen von der „Eselshaut“ erinnern.
Aber „Drei Akte“ zielt nicht eigentlich auf Geschichten, sondern das Material mit seinen spezifischen Eigenarten steht im Zentrum. Das Knistern des Papiers, noch verstärkt durch die Töne, die Hamann auf seiner E-Geige spielt, lässt Bilder von sich reibenden Eisschollen erinnern.
Während diese Bilder Materialerforschungsarbeiten aus dem Jahr 2008 und 2012 aufnehmen und weiter führen und eine gewisse Vertrautheit mit dessen Widerspenstigkeiten, aber auch Möglichkeiten haben, wird im dritten „Akt“ eine Technik vorgeführt, nämlich die Formen der japanischen Papierfaltkunst. Töpfer konnte sie 2015 als Stipendiatin in Kyoto kennen lernen. Im Umgang mit diesem Material ist eine leidenschaftliche Verbissenheit zu spüren, die die Voraussetzung ihres Schaffens ist, das sich u.a. im Credo äußert, das Stücke sich entwickeln müssen und dafür Zeit brauchen.
„Drei Akte“ ist ein großer Abend, der alle Qualitäten Antje Töpfers als Performerin und als Figurenspielerin vorführt, die mit den Grenzen von leiblichem Körper und dem Material spielt und dabei starke Bilder entwickelt.