7. Juli 2022 , Stuttgarter Zeitung
Die Baustelle vertreibt die Künstler
Wieder einmal müssen sich die Wagenhallen neu erfinden. Einige lieb gewordene Einrichtungen wie die Container-City oder der Stadtacker müssen weichen. Ihre Fläche wird für den Bau von Oper und Wohnungen gebraucht.
Am Bauzaun scheiden sich die Geister. 25 Meter entfernt sollte er eigentlich aufgebaut werden, die Baustelle von den Wagenhallen trennen. Doch nun gibt es Pläne, ihn zehn Meter näher an die Halle zu rücken. Was die Künstler irritiert. Denn sie brauchen die Fläche vor der Halle zum Rangieren, zum Verladen, zum Bauen, zum Lagern von mitunter großen Kunstwerken. In den nächsten Jahren wird dort am Nordbahnhof gebaut, entstehen Büros und Wohnungen sowie die Interimsoper direkt neben den Wagenhallen. Was wieder einmal ein Umbruch für das Gelände und die Menschen dort bedeutet.
Die Wagenhallen Ende der 90er Jahre zogen einige Künstler und Lebenskünstler in leer stehende Waggons neben die alte Bahnhalle, die wegen des Neubaus von S 21 nicht mehr gebraucht wurde. Es entstand ein seltenes Biotop, ein Raum, um sich zu testen und auszuprobieren. Mehrmals sollte die Halle weg, mittlerweile wurde sie für 25 Millionen Euro von der Stadt saniert. Der Kunstverein kümmert sich um die Belange seiner 150 Mitglieder, viele davon wohnen oder arbeiten auf dem Gelände.
Die Container-City Sie entstand in den letzten Jahren vor der Halle. Während der Sanierung und weil es eine lange Warteliste von Menschen gibt, die gerne ein Atelier in den Hallen hätten oder dort ein Projekt verwirklichen wollen. Nun muss sie weg, weil auf dem Gelände die Einrichtungsfläche für die Baustelle ist. „Das ist schon lange besprochen und klar“, sagen Sylvia Winkler und Robin Bischoff vom Kunstverein, „allerdings fallen auch alle unsere Grünflächen weg.“ Eine werde als Versickerungsfläche gebraucht, die andere überbaut. Da will man noch einmal vorfühlen. Immerhin darf die erste Reihe der Container-City noch bis Ende 2023 bleiben. Der Rest muss bis Ende des Jahres abgebaut werden. Mindestens drei Jahre müssen sie dann warten, bis sie dort den dann geplanten zentralen Platz nutzen können. „Das ist eine lange Zeit“, sagt Winkler, „vieles, was wir aufgebaut haben, reißt dann ab.“ So nutzt man etwa fürs Sommerfest an diesem Wochenende diese Flächen.
Der Bauzug Die Waggons müssen weg, weil dort gebaut wird. 1,5 Stellen sind vom Gemeinderat bereits bewilligt für ein Jahr wegen des Umzugs, die Kosten werden übernommen. Die neue Fläche ist auf Höhe der Gebäude Nordbahnhofstraße 165 und 163 A bis C. Allerdings müssen die erst abgerissen werden. Dies soll im Oktober geschehen. Ironie des Schicksals: Die Bauzug-Künstler waren bereits im Gebäude Nordbahnhofstraße 165 mit diversen Räumen und Ateliers, haben die geräumt, wegen des Abrisses. Elisa Bienzle von Bauzug 3YG: „Wir sind zufrieden mit der Lösung.“ Und ergänzt: „Wir hoffen, dass in Zukunft kulturelle Freiräume von vornerein mitgedacht werden.“
Stadtacker Die grundsätzliche Zusage, dass es weitergehen wird, haben auch die Gärtnerinnen und Gärtner vom Projekt Stadtacker. Doch die neue, recht schmale Heimat der Gemeinschaftsgärten ist noch vollgemüllt mit Bauschutt. Auf der einen Seite ist eine Kleingärtnersiedlung am Rande des Pragfriedhofs, auf der anderen Seite ein noch zu bauender Komplex der künftigen Maker-City, so wird dieser Bauabschnitt genannt. Volker Haefele, der die Öffentlichkeitsarbeit für den Stadtacker macht: „Da harken wir dann direkt vor den Fenster anderer herum.“ Diese jetzt vorgesehene Fläche entspricht nur der Hälfte der bisherigen 4000 Quadratmeter. Doch Haefele übt sich in Zuversicht: „Wir führen Gespräche mit der Stadt, wir suchen nach neuen Flächen.“ 1,5 Personalstellen hat der Gemeinderat auch hier zugesagt.
Fahrräder für Afrika Auf ehrenamtlicher Basis arbeitet der Verein Technik und Solidarität – Fahrräder für Afrika. Konkret heißt das: Da gibt es ein Lager für etwa 300 Fahrräder mit Werkstatt und Sortierbereich. Dort werden Fahrräder gesammelt, instand gesetzt und in einem Container nach Afrika gebracht. „In vielen ländlichen Regionen Afrikas gibt es kaum oder keine öffentlichen Transportmittel“, sagt der Erste Vorsitzende Holger Andris. „Die Leute müssen kilometerweit gehen. Gerade für Kinder sind weite Schulwege eine Belastung.“ Jetzt droht das Aus, da man ausreichende Lagerflächen braucht.
Contain’t Der Verein Contain’t kann flexibel reagieren. Denn es ist ja das Ziel des Vereins, ungenutzte Orte zu entdecken. Sie dürfen bis Ende 2023 in ihrem Containerbau bleiben. „2000 Quadratmeter sollten es künftig schon sein“, so Marco Trotta von Contain’t. Vorschläge gebe es einige, Konkretes aber noch nicht. Immerhin: „Auf den Ämtern kommt man uns mit viel Wohlwollen entgegen.“
Das Sommerfest
Wann, was, warum
Der Kunstverein Wagenhalle feiert am Samstag und Sonntag sein Sommerfest. Am Samstag, 2. Juli, von 14 Uhr an, am Sonntag von 16 Uhr an. Es gibt Workshops, einen Flohmarkt, Experimente, Kindertheater, Ausstellungen, Musik, Tango, Speisen und Getränke.
Der gesamte Artikel ist hier zu finden.