13. Januar 2019 , Stuttgarter Zeitung
Die Mieter in der Container City halten nichts von einer Interimsoper bei der Wagenhalle.
S-Nord – Die Künstler und Hobbygärtner im Kulturschutzgebiet Wagenhalle am Inneren Nordbahnhof können jetzt mit einer weiteren Auszeichnung punkten: Nachdem ihre Container City bei der Wagenhalle beim Deutschen Städtebaupreis als einziges experimentelles Projekt mit einer Belobigung ausgezeichnet worden ist, haben sie jetzt auch einen italienischen Preis erhalten. Und zwar dafür, dass die Container City ein Projekt der nachhaltigen Stadterneuerung ist.
Die neue Auszeichnung ist Honig für die Seelen der jeweils rund 100 Mitglieder des Kunstvereins Wagenhalle und Aktiven beim Stadtacker. „Ein Projekt, dass international anerkannt wird und eine solche Strahlkraft hat, kann man doch nicht platt machen wollen“, sagt Sylvia Winkler vom Vorstand Kunstverein Wagenhalle. Unruhe und heftigen Gegenwind haben bei Künstlern und Gärtnern die Pläne von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) aufkommen lassen. Er schlägt während der Sanierung des Großen Hauses das etwa zwei Hektar großen Gelände bei der Wagenhalle als Standort für die Interimsoper vor. „Unsere Visionen und die Oper passen nicht auf eine Fläche“, ist Robin Bischoff vom Vorstand Kunstverein Wagenhalle überzeugt. Denn immerhin sollen eine Spielstätte, der Verwaltungstrakt sowie die Werkstätten samt rund 1400 Mitarbeiter aufs Gelände kommen.
Das Areal ist für die Künstler als Ausstellungsfläche wichtig
Das Areal, für das sich die Mietverträge verlängern, wenn die Fläche nicht anderweitig gebraucht wird, ist laut Bischoff für die Künstler unverzichtbar. Denn die bräuchten den Platz zum Beispiel dringend für Festivals und als Ausstellungsfläche für Großskulpturen. Bischoff: „Wenn bei den Ateliers nicht mehr ausgestellt werden kann, nutzen auch die Ateliers nichts.“ Für die Mieter ist die Fläche aber noch sehr viel mehr als nur Ausstellungsort: Hier können sie experimentieren, prüfen, ob sich ihre städtebaulichen und ökologischen Visionen realisieren lassen – und sie sehen ihre Container City bei der Internationalen Bauausstellung 2027 bereits als eine neue Weißenhof-Siedlung, die Maßstäbe im Städtebau setzen kann.
Die Visionen der Künstler und Stadtgärtner sind bereits in Arbeit. Sie wollen die erste „Stadt“ sein, die sich selbst komplett mit Elektrizität versorgt. Der Stadtacker hat Kooperationen mit Kindertagesstätten, Schulen und Studenten. „Die Kinder sollen hier Gemüse anpflanzen können, das sie dann später ernten, schnippeln und kochen“, sagt Elisa Bienzle vom Stadtacker. Neben den Sparten Kunst, Architektur, Bildung und Forschung, in denen es Kooperationen mit den unterschiedlichsten Institutionen gibt, ist ein Schwerpunkt der Containerstadt Ökologie. Bienzle: „Wir vom Stadtacker arbeiten mit der Uni Hohenheim und dem Institut für Landschaftsplanung und Ökologie der Uni Stuttgart zusammen, laden zu Vorträgen und Workshops zum Thema Grüne Infrastruktur ein.“ Auch Bienzle hat eine Vision: Die Verpflegung der Mieter in der Container City durch die Erzeugnisse des Stadtackers. Noch sind die Pläne für die Interimsoper nicht in trockenen Tüchern. Dafür, dass alles beim Alten bleiben sollte, liefert nach Auffassung der Künstler und Gärtner der städtebauliche Wettbewerb fürs Rosensteinquartier Argumente: In der Ausschreibung heißt es, dass dort eine Fläche von etwa fünf Hektar als „Sonderentwicklungsfläche Kultur“ mit offener Nutzung reserviert werden soll. „Das ist doch genau das, was wir wollen und mit der Container City bereits haben“, sagt Bischoff. Die Bezirksbeiräte der SPD im Norden lehnen ein Opernprovisorium ab und fordern eine Spielstätte von Dauer vom Gewicht des Stirling-Baus der Staatsgalerie.