Martin Assig, Arthur Bauer, Heiner Binding, Christoph Dahlhausen, Stefan Löffelhardt, Russel Maltz, Fabian Marcaccio, Gabriela Oberkofler, Franziska Reinbothe, Elisabeth Vary, Birgit Werres
Kuratiert von Reinhard Ermen
„Als Auge bezeichnet man in der Meteorologie das nahezu windstille Zentrum eines Wirbelsturms“, so lese ich es am 01.12.2023 bei Wikipedia. Drum herum, da wo die „hochreichenden Quellwolken“ den „Augenwall“ (Eyewall) bilden, wehen die Winde allerdings heftiger als im rauen Rest des Orkans. Das Wetterphänomen hat sprichwörtlichen Charakter und ist anwendbar auf den Zustand der Welt und unser so gesehen fast unangetastetes, durchaus entspanntes Hiersein, es passt aber auch auf vieles andere, etwa die Stürme um die Frage, wie Kunst in korrekter Weise zu funktionieren hat. Die relative Ruhe im Zentrum möchte ich nutzen, um Positionen aufzusuchen, denen es zuallererst darum gehen könnte, ein selbstbestimmtes FürSichSein zu finden, um standfest zu sein für die Umbrüche, die da kommen können; unmittelbare, ja angeborene Konnotationen mit gesehenen und gefühlten Realitäten nicht ausgeschlossen. Kunst ist schließlich ein Teil dieser Welt und hilft gelegentlich beim Überleben. Dass das „Auge“ auch erstes Sinnesorgan beim Sehen ist, nehme ich als sinnstiftende Doppeldeutigkeit zur Kenntnis. Der Augenblick meldet sich aus dem Hintergrund zu Wort.
Die Erzählung von diesem außerordentlichen Raum, mit der die Exponate zusammengeführt werden, fördert eine laterale, gelegentlich existentielle Perspektive jenseits gängiger Sichtachsen. Das kleinste aller denkbaren Augen ist die Galerie. Die beruhigte Mitte ist im Übrigen nie ganz ungefährdet, gelegentlich meint man das Rauschen der Eyewall zu hören, so wie dann und wann der Tinitus anklopft, manche Positionen tragen möglicherweise sogar Blessuren, die vom Weg in den geschützten Raum zeugen. Wie in jeder Kunstausstellung findet ein Dialog unter Werken statt, die alle Besucher registrieren aber natürlicherweise jeweils anders bewerten. Auch ohne das Szenario sollte diese Präsentation funktionieren, sonst wäre sie sinnlos, aber das etwas angespitzte Narrativ ist in gewisser Weise eine Art Transformator, der das jeweilige Werk mit einem anderen Strom versorgt, die Wahrnehmung herausfordert und alle Arbeiten für die Verweildauer in der Ausstellung partiell neu kodiert. Drei Positionen nehme ich aus dem Programm von Anke Schmidt, in dem das selbstbestimmte Kunstdenken keine unbekannte Vokabel ist, die anderen acht Figuren bringt der Gastkurator mit, – alle fügen sich in den offenherzigen Rahmen.
(Reinhard Ermen, 2024)
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