22. Februar 2016 , Stuttgarter-Zeitung
Harry Delgas über S.I.C.K.: Heute Abend findet in der Raktete zum dritten Mal die Partyreihe S.I.C.K. statt. Wir sprachen vorab mit Veranstalter Harry Delgas über die Electro-Szene in Stuttgart und seinen Wunsch daran etwas zu ändern.
Harry Delgas ist zunächst mal eines: Musiker aus Leidenschaft. Seit geraumer Zeit mischt der 27-Jährige bei mehreren Musik-Projekten mit, wechselte dafür auch mal vom HipHop zum Jazz und macht seit 2009 mit seiner Band „Bewegung tut gut“ frischen Sound – freier, experimentierfreudiger, elektronischer. Aus „erstmal nur jammen“ wurde eine Band, die sich von typischen Songabläufen verabschiedet hat und das unterbrechungslose Set eines DJs adaptierte. Nach den Konzerten fing der freiberufliche Videokünstler aus Kirchheim unter Teck immer öfter an, eigene elektronische Livesets zu spielen. Nun wurde ihm im Theater Rampe bzw. der Rakete die Möglichkeit gegeben, eine eigene Veranstaltung zu realisieren. Die Partyreihe S.I.C.K. war geboren. Delgas will damit vor allem eines: das Stuttgarter Nachtleben musikalisch öffnen und elektronisch aufmischen.
Wie nimmst du elektronische Musik im Stuttgarter Nachtleben wahr?
Aus meiner Sicht ist das Stuttgarter Nachtleben im Bereich der elektronischen Musik ein wenig festgefahren und eindimensional. Es gibt Clubs, in denen immer der gleiche Techno läuft oder die bekannten Star-DJs spielen. Wirkliche Überraschungen gibt es aber selten. Leider sind viele Clubs auch wieder verschwunden. Trotzdem habe ich große Hoffnungen, dass hier etwas passiert. Es gibt viele Menschen, die sich in Vereinen zusammenschließen wie z.B. Contain’t und sich für die Subkultur und die elektronische Musik in Stuttgart einsetzen.
Und dann hast du einfach eine eigene Party ins Leben gerufen?
Ja und zwar S.I.C.K. Das Konzept ist simpel: Einen Abend lang wird elektronische Musik in ihrer ganzen Vielfalt und aus allen Teilen der Welt präsentiert – Hauptsache open minded und frei von Zwängen.
Warum S.I.C.K.?
„Sick“ ist erstmal ein Wort, das man im Internet oft als Kommentar zu Musikstücken ließt, die einen auf besondere Weise berühren. Ich nutze das Wort als Akronym um dessen Bedeutung bewusst offen zu lassen.
Was genau willst du mit dieser Partyreihe erreichen?
Ziel ist es, dem Stuttgarter Nachtleben einen Ort zu bieten, an dem qualitative elektronische Tanzmusik der Gegenwart, auch abseits der Hörgewohnheiten, in all ihrer Vielfalt zu hören ist. In Zeiten von YouTube, SoundCloud und Co. haben sich Stile und Einflüsse aus den verschiedensten Regionen dieser Welt zu einzigartigen Hybriden zusammengesetzt. Diese spielerische Genreoffenheit ist das, was S.I.C.K. in den Vordergrund stellen will.
Wie lief es denn bislang?
Mittlerweile hat das Ganze ja dreimal stattgefunden und kam sehr gut an. Und viele meinten dann: „Sowas fehlt in Stuttgart“.
Und was erwartet die Gäste heute Abend?
Diesmal ist Philip Lawall am Synthesizer dabei. So kann ich bestimmte Passagen in den Stücken loopen und wir können dazu improvisieren und auf die Stimmung im Publikum reagieren. Ich bin auch sehr gespannt auf den Auftritt von 1000 ARABS, die auf humorvolle Weise die Tracks, die sie auflegen, mit Effekten und Sounds aus der Drummachine live bearbeiten. Humor finde ich sowieso eine ganz wichtige Sache beim Auflegen und Tanzen. Dass man auch mal Kitschiges, Schräges oder meinetwegen Mainstream zulässt, solange man nicht gänzlich seinen Qualitätsanspruch aufgibt. Musik ist etwas, das einen berühren und bewegen sollte, frei von elitärem Gehabe und irgendwelchen Ideologien. Und auch Widersprüche sind spannender als eine vorhersehbare Technonacht.
Wie soll es mit S.I.C.K. dann weitergehen?
Ich würde mir wünschen, dass S.I.C.K. zu einer Plattform wird, sowohl für Musiker und DJs, die sich ungern in Schubladen stecken lassen, als auch für ein unbefangenes Publikum, das Lust auf musikalische Überraschungen hat. Das bedeutet nicht, dass es nur experimentelle Klänge zu hören gibt, zu denen keiner tanzen kann, sondern eine gute Mischung aus Gewohntem und Ungewohntem. Wichtig ist mir, dass eine Verbindung zwischen den DJs und dem Publikum entsteht, ein Bewusstsein, dass beide in gleichem Maße für den Erfolg des Abends verantwortlich sind.
Außerdem bist du noch Teil eines anderen spannenden Projekts!
Ja, bei einem Projekt, das Stuttgart eine Alternative bieten möchte: Das wieder ins Leben gerufene Label HeHi des Stuttgarter Produzenten Johannes Brecht soll eine Plattform für elektronische Musik von Stuttgarter Musikern werden. Zusätzlich soll monatlich eine Relesaseparty und Labelnacht stattfinden, auf der sich die releasenden Künstler mit Liveset vorstellen und überhaupt mal in einer familiären Atmosphäre eine Vernetzung von Stuttgarter Produzenten und Musikfans entstehen kann.
S.I.C.K. findet heute ab 22 Uhr in der Rakete statt. Die erste Labelnacht ist am 25. Februar im Wintergarten.