17. November 2014,
An die
Stadt Stuttgart
Herrn
Oberbürgermeister Fritz Kuhn
Rathaus
Marktplatz 1
70173 Stuttgart
10. November 2014
Atelier- und Produktionsort Wagenhallen
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn,
in Sorge um die zukünftige Entwicklung des Areals Wagenhallen als Atelier- und Produktionsort für verschiedene künstlerische Sparten und Kulturformen wenden wir uns heute mit diesem Schreiben an Sie, an Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann und weitere Vertreter aus Politik, Kultur, Medien und Gesellschaft. Für uns als Leiterinnen und Leiter von Kunst- und Kulturinstitutionen dieser Stadt ist die zukünftige Entwicklung des Areals Wagenhallen als Atelier- und Produktionsort von größter Bedeutung. Leider scheinen neu erstellte Brandschutzgutachten die positiven Entwicklungen, die sich nach dem Bürgerhaushalt in diesem Bereich abzuzeichnen schienen, nun zu erschweren. Die Arbeitssituation für die etwa 70 Künstlerinnen und Künstler auf dem Gelände ist im Moment jedenfalls unerträglich und muss dringend sofort und auch langfristig verbessert werden.
Die Wagenhallen in Stuttgart haben sich in den letzten Jahren zu „dem“ Atelier- und Produktionsort in Stuttgart, in der Region und im ganzen Land entwickelt. Hervorragende Künstler, Architekten, Designer, Kulturschaffende verschiedenster Sparten und Altersgruppen arbeiten hier zusammen – sicher nicht unter perfekten, aber unter für Künstler ziemlich idealen Bedingungen. Wer den Prozess „Kultur im Dialog“ in der Stadt verfolgt hat, der weiß, dass in der Stadt ansonsten fehlt, was die Wagenhallen wie kein anderer Ort bietet: Platz und Raum für künstlerische Produktion und professionellen Austausch auf hohem Niveau.
Das hat sich mittlerweile weit über die Stadtgrenzen herumgesprochen. Wer heute in Deutschland mit zeitgenössischer Kunst zu tun hat, der kennt die Wagenhallen in Stuttgart. Auch international werden Kontakte gepflegt, Netzwerke eingebunden. Und wenn wir von den Erfolgen sprechen, dann sprechen wir nicht vom Veranstaltungskulturbetrieb, von Partys, Firmenevents und Konzerten, die einen ganz anderen Bedarf abdecken und für eine bestimmte Szene sicher von Interesse sein mögen. Wir sprechen von Künstlerinnen und Künstlern im freien, angewandten und darstellenden Bereich, die Preise gewinnen, Stipendien bekommen, in großen Ausstellungen vertreten sind, die die kulturelle Szene dieser Stadt auf höchstem Niveau repräsentieren.
Über die Abwanderung vor allem nach Berlin und Leipzig, die allen Kunstinstitutionen dieser Stadt und Region zu schaffen macht, wurde in den letzten Jahren viel geredet; es wurde allerdings wenig dagegen getan – eines der attraktivsten und wichtigsten Argumente zu bleiben, aber waren und sind für viele Künstler die Wagenhallen als Atelier- und Produktionsort, der diesen Namen verdient und mit vergleichbaren Angeboten anderer Städte dieser Größenordnung mithalten kann.
Die Künstler, Architekten, Designer, Performer, Schauspieler, Tänzer und anderes mehr, die im Moment dort arbeiten, haben zu einem großen Teil an unseren Hochschulen studiert, sind von Stadt und Land, teilweise auch vom Bund, mit Stipendien und über Projektmittel gefördert worden, sie arbeiten mit den Institutionen in der Region zusammen, initiieren Aktionen, Ausstellungen, Veranstaltungen, Symposien, Kongresse. Ihre erfolgreiche Arbeit prägt diese Stadt mit, und sie ist für unsere Arbeit unbedingt notwendig.
>Daher sprechen wir uns dafür aus, dass die Arbeitsbedingungen in den Ateliers wieder vernünftig geregelt werden. Es kann nicht sein, dass Künstlerinnen und Künstler zu einer bestimmten Uhrzeit, die ein Veranstalter auf dem Gelände festlegt, ihre Studios verlassen müssen, um dann zu einer anderen Uhrzeit wieder zurückkehren zu dürfen. Wer kann so arbeiten? Sicher muss auch der Konzert- und Eventbetrieb vernünftige Arbeitsbedingungen erhalten, in erster Linie ist dieser Ort aber ein Atelier- und Produktionsort. Auch hinsichtlich der zukünftig dort geplanten Wohnbebauung ist das die einzige zukunftsträchtige Perspektive für das Gelände.
Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass der Kunstverein Wagenhallen in alle weiteren Gespräche um die Ertüchtigung der Gebäude eingebunden wird. Eine Luxussanierung ist nicht notwendig und nicht im Interesse der Menschen, die dort arbeiten. Es liegt ein hervorragendes, überzeugendes Konzept der „Zukunftsgruppe Wagenhallen“ vor, das den Brandschutz selbstverständlich mit berücksichtigt. Kein Wunder, schließlich haben einige kompetente Architekten ihre Studios auf dem Gelände – Architekten übrigens, die unter anderem als Mitarbeiter in Lehre und Forschung an den Hochschulen dieser Stadt arbeiten. Wir reden von hoch professionellen, erfolgreichen Kollegen.
Ein Ziel müssen darüber hinaus langfristige Mietverträge zu vernünftigen Bedingungen sein. Das ist auch Kern des Projektvorschlags, der auf dem dritten Platz des Bürgerhaushalts gelandet ist. Wir bitten Sie daher dringend um Unterstützung der Künstlerszene in den Wagenhallen – in ihrer ganzen Breite und Vielfalt. Für Fragen und Gespräche stehen wir gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Hans D. Christ und Iris Dressler, Württembergischer Kunstverein
Martina Grohmann und Marie Bues, Theater Rampe
Dr. Ulrike Groos, Kunstmuseum Stuttgart
Reinhard Hauff, Galerie Reinhard Hauff Stuttgart
Prof. Jean-Baptiste Joly, Akademie Schloss Solitude
Markus Merz, Merz Akademie, Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien
Bernd Milla, Kunststiftung Baden-Württemberg
Elke aus dem Moore, Institut für Auslandsbeziehungen
Petra von Olschowski, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Prof. Ulrich Wegenast, Film- und Medienfestival gGmbH
Adnan Yildiz, Künstlerhaus Stuttgart
17. November 2014,
In ihrem Artikel schreiben Sie, dass ohne das finanzielle Zutun des Veranstaltungsbetriebs Gutbrod/Mellmann GbR die Wagenhalle schon lange nicht mehr existieren würde. Richtig ist jedoch, dass Investitionen des Veranstaltungsbetriebs ausschließlich in ihre eigenen Räumlichkeiten fließen und nicht der gesamten Wagenhalle zugute kommen, wie es das ursprüngliche Konzept von 2006 eigentlich vorgesehen hatte. Die Gutbrod/Mellmann GbR profitiert erheblich von den Künstlern auf dem Gelände und deren Projekte, die diesem Ort einen besonderen Charme geben. Der Kunstverein-Wagenhalle e.V. spricht sich ausdrücklich gegen eine Erweiterung des Veranstaltungsbereichs aus — der Kunstverein-Wagenhalle e.V. braucht dringend weitere Produktionsflächen.
Weshalb sich die Stuttgarter-Zeitung in ihrem Bericht lieber auf Aussagen eines anonymen „Kenner der Materie“ stützt anstatt mit den Betroffenen selbst zu reden ist dem Kunstverein-Wagenhalle e.V. rätselhaft. Ein Großteil der betroffenen Flächen sind beheizt und werden natürlich auch in den Abendstunden intensiv genutzt. Auch dass Veranstaltungen lediglich in den Abendstunden stattfinden, wie es der anonyme Kenner berichtet, ist schlichtweg falsch. Bei einem Blick in den Veranstaltungs-Kalender den der Veranstaltungsbetrieb dem Kunstverein-Wagenhalle e.V. monatlich vorlegt, wäre schnell zu erkennen gewesen, dass der Beginn der Veranstaltungen jenseits der Partys zwischen morgens, mittags und nachmittags variiert.
Die Mitglieder des Kunstverein-Wagenhalle werden in ihrem Artikel als zerstritten dargestellt. Richtig ist dass der Kunstverein-Wagenhalle vor kurzem einen neuen Vorstand gewählt, und diesen personell aufgestockt hat um handlungsfähiger zu sein. Bei dieser Wahl waren 66 der 88 Mitglieder des Kunstverein-Wagenhalle e.V. anwesend. Unter den 70 Künstlern des Kunstverein-Wagenhalle e.V. herrscht ein reger Austausch und ein grosser Zusammenhalt. Der Kunstverein-Wagenhalle e.V. vertritt und kommuniziert die Meinung des Gros seiner Mitglieder. Dem Kunstverein liegt es fern einen Kleinkrieg anzuzetteln, er tritt lediglich für vernünftige Arbeitsbedingungen seiner Mitglieder ein – und diese sind mit der momentanen Regelung nicht gegeben.
Der Kunstverein-Wagenhalle e.V. bemüht sich seit bekanntwerden der Nutzungseinschränkung um ergebnisoffene Gespräche, jedoch wurde die momentane Lösung dem Kunstverein-Wagenhalle bisher als alternativlos kommuniziert. Wir laden alle Journalisten und besonders die Journalisten der Stuttgarter-Zeitung ein, sich vor Ort selbst ein Bild der momentanen Situation zu machen. Vorstand des Kunstverein-Wagenhalle e.V.
31. Oktober 2014,
Stuttgart, den 31.10.2014
Statement des Kunstverein Wagenhalle e.V. zur aktuellen Lage & Berichterstattung
Kunst braucht Raum zum Experimentieren. Die Wagenhalle beim Nordbahnhof hat sich in Stuttgart als ein besonderer künstlerisch-kultureller Standort etabliert. Seit nunmehr 10 Jahren arbeiten dort ca. 70 KünstlerInnen unterschiedlichster Gewerke. Im Bürgerhaushalt 2014/2015 ist vorgesehen, die Wagenhalle für eine dauerhafte Nutzung baulich zu ertüchtigen. Im Zuge der Planungen stellte die Stadt fest, dass im Moment ein Parallelbetrieb von Veranstaltungen der Gutbrod / Mellmann GbR und eine Ateliernutzung der 70 KünstlerInnen des Kunstvereins nicht möglich ist: Die KünstlerInnen, die in der Wagenhalle arbeiten, müssen bei jeder Veranstaltung ihre Ateliers verlassen. Die Entscheidung wann die Arbeitsräume genutzt werden liegt nun nicht mehr in der Hand der KünstlerInnen, sondern wird von den wirtschaftlichen Interessen des Mellmann/Gutbrod GbR bestimmt. Die Termine der Veranstaltungen werden nicht mit dem Kunstverein Wagenhalle e.V. abgestimmt, sondern werden von den Veranstaltungsbetreibern festgelegt.
Ohne Transparenz und unter Entscheidungsdruck wurde der Vorstand des Kunstverein Wagenhalle e.V. bei einem Termin Anfang September dazu aufgefordert, einer Regelung zuzustimmen, ohne mit den KünstlerInnen vor Ort, die Problematik einer eingeschränkten Nutzung ihrer Arbeitsräume besprechen zu können. In der Praxis bedeutet dies, dass an bis zu 5 Tagen pro Woche Veranstaltungen stattfinden werden. KünstlerInnen arbeiten jedoch zu jeder möglichen Tages- und Nachtzeit, auch an Sonn- und Feiertagen und haben oft feste Termine wie z.B. Ausstellungen oder Premieren. Die Arbeiten laufen in intensiven Phasen und grundsätzlich am Stück und können nicht mehrmals pro Woche unterbrochen werden. Eine eingeschränkte Nutzung der Arbeitsflächen ist für viele KünstlerInnen eine existenzielle Bedrohung.
Der Kunstverein Wagenhalle e.V. hatte im Oktober Nachverhandlungen gefordert, die kaum Verbesserungen erwirkt haben. Diese Regelung läuft seit dem 27. Oktober und wurde 4 Wochen vorher bekannt gegeben. Die KünstlerInnen sollen einen Zusatz zum Vertrag unterschreiben, der Ihnen den Aufenthalt in ihren Arbeitsräumen während den Veranstaltungen untersagt. Eine Projektplanung ist für die KünstlerInnen durch diese Regelung unmöglich geworden. Ein Aderlass von hoch qualifizierten KünstlerInnen, die sich schon in der Kunst und Kulturszene etabliert haben, ist ein herber Verlust für den Standort Wagenhalle und die Kulturlandschaft Stuttgarts. Ein Ende dieser untragbaren Situation, die sich etliche Jahre hinziehen kann, ist nicht absehbar.
Der Kunstverein Wagenhalle e.V., der mit seinen 70 KünstlerInnen in der zeitgenössischen Kunst- und Kulturwelt voll angekommen ist, sieht die Zukunft der Wagenhalle als ein Generationen übergreifendes Kunst- und Kulturzentrum, als Marktplatz und Herz im neuen Stadtviertel Rosenstein. Unser Ziel ist es, die Produktionsstätte Wagenhalle in eine tragfähige Struktur als ein selbst verwaltetes und sich selbst tragendes Projekt zu übertragen. Dabei steht der Ausbau von zusätzlichen und größeren Produktionsflächen durch wachsende Notwendigkeit im Vordergrund. Eine zukünftige Nutzung beinhaltet auch eine Veranstaltungsfläche, die sinnvoll im späteren Wohngebiet funktionieren muss und Kulturveranstaltungen beherbergt.
Wir fordern deshalb die Stadt Stuttgart und alle Beteiligten auf, Gespräche auf Augenhöhe zu führen, um die Situation für den Kunstverein Wagenhalle e.V., seine 70 KünstlerInnen und damit auch für eine lebendige kulturelle Stadt deutlich zu verbessern.
Kunstverein Wagenhalle e.V.
Innerer Nordbahnhof 1
70191 Stuttgart
kontakt@kunstverein-wagenhalle.de
www.kunstverein-wagenhalle.de